„Was New York hat, hat Hannover-Linden auch“, erzählt Steven Kauffeld bei einem kulinarischen Stadtrundgang durch das Arbeiterviertel. Seit einiger Zeit führt der 51-jährige Fotograf die Gäste des Anbieters „Eat the World“ durch die Niedersächsische Landeshauptstadt. Treffpunkt für die dreistündige Tour ist vor dem Gebäude, in dem 1927 die städtischen Bäder eröffneten und die Einwohner der Stadt noch 1937 für 20 Pfennig duschen oder für 70 Pfennig baden konnten. Heute spielt in dem gleichen Gebäude ein Theater – und nur eine einzige der historischen Wannen ist noch erhalten geblieben. Kauffeld, bekennender Holländer und immer einen Scherz auf den Lippen, führt durch den vielfältigen Stadtteil und erklärt nicht nur, um was es sich bei den „drei warmen Brüdern“ handelt, sondern auch von einem Projekt, auf das die Welt geschaut hat. In den 70er-Jahren entstand mit dem Ihme-Zentrum eine Stadt in der Stadt. In den letzten Jahrzehnten ist der 700 x 200 Meter große Betonklotz immer weiter verfallen und bleibt doch die Heimat von Menschen, denen die großen Wohnungen und der Blick auf Hannover wichtiger sind als das äußere Erscheinungsbild der verfallenden Häuserblocks.
Licht und Schatten liegen in Hannover-Linden nah beieinander. Skulpturen wie die eines schwarzen Bären im öffentlichen Raum. Eine alte Ziegelei in einem Hinterhof, deren Schornstein heute der Eingang eines gepflegten Hauses ist. Oder ein Haus, das auf den ersten Blick nur aus Fassade zu bestehen scheint. Oder die Villa des früheren Wurstfabrikanten Fritz Ahrberg, deren Zaun noch heute neben den Initialen des Unternehmers die Umrisse eines Schweins zeigt. Ruhige Wohnstraßen, zwei im Fachwerkstil gebaute Weberhäuser aus dem Jahr 1705 und ein Park, in dem einst das barocke Lindener Schloss des Adelsgeschlechts von Platen stand, gehören genauso zu Hannover-Linden wie das verfallende Ihme-Zentrum.
Während der kulinarischen Stadtführung kehren die Gäste bei fünf regionalen Gastronomiebetrieben ein. Besonders heimelig ist es im Garten des Cafés „Fräulein Schlicht“. Johanna Schlicht und ihre engagierten Mitarbeiterinnen betreiben das kleine Café in der Davenstedter Straße seit rund fünf Jahren. Wer mag bekommt hier nicht nur ein leckeres Frühstück, sondern auch feine Kuchen. Eine eigene Konditorin sorgt dafür, dass die Gäste immer wieder gern in den herzlichen Betrieb kommen. Unter dem für eine Pizzeria ungewöhnlichen Namen „Tandori“ bietet Nassir Yusufi seinen Gästen in der Charlottenstraße italienische Steinofen-Pizza an. Der 25-jährige Jungunternehmer hat den Betrieb vor kurzen übernommen und ist mit Herzblut und Engagement bei der Sache. Die gut belegte Pizza gelingt im flackernden Feuer des Ofens hervorragend.
Dass sich manchmal ein zweiter Blick lohnt zeigt die „Pastalaria Luis“. Während die original portugiesischen Fliesen, mit denen der kleine Laden ausgestattet ist, vor allem sehenswert sind, sind die warmen Vanilletörtchen ein echter Genuss. Besonders interessant wird die Tour natürlich immer dann, wenn die Gastronomen oder ihre Mitarbeiter sich die Zeit nehmen, die Gäste zu begrüßen und ihnen die Hintergründe zum jeweiligen Betrieb und den präsentierten Produkten persönlich zu erzählen.
Zum Preis von 39 Euro bekommt man bei den Touren von „Eat the World“, die in verschiedenen Städten angeboten werden, nicht nur kurzweilige Informationen und Insider-Wissen zum jeweiligen Stadtteil, sondern auch eine Reihe kleiner Kostproben, die von Tour zu Tour variieren.
(SMC)