21. Jun. 2025

Genuss

“Herzlich willkommen zu einem Menü mit Beilage. Die Beilage bin ich“, begrüßte Siemen Rühaak die Gäste im festlich gedeckten Saal. Die hatten zuvor schon die Gelegenheit den Ausblick auf die nächtlich beleuchtete Stadt bei einem Aperitif auf sich wirken zu lassen, im Freundeskreis zu plauschen oder neue Kontakte zu knüpfen. Denn mit Siemen Rühaak, dem Programm des HCC oder anderen Genüssen hat man hier schnell ein Thema gefunden. Schnell zeigt sich, dass die meisten Gäste nicht zum ersten Mal dabei sind. Rund die Hälfte der Gäste hat sich nach der Lesung im Oktober dafür entschieden, nun ein weiteres Mal dabei zu sein. Die anderen sind neu und besonders gespannt, was es mit den Flaschen Olivenöl auf sich hat und welche weihnachtlichen Themen zur Sprache kommen werden.

Eine Reise durch die Zeiten hat sich Siemen Rühaak vorgenommen. Die beginnt im Mittelalter, streift das 19. Jahrhundert und die 50er Jahre und endet in der heutigen Zeit. Bei der Auswahl seiner Geschichten hat Rühaak schnell festgestellt, dass die Weihnachtsgeschichten über die Zeiten stets dieselben bleiben. Kurt Tucholsky hatte eine besondere Meinung zum Fest der Liebe. „Alle feiern Weihnachten, weil alle Weihnachten feiern“, philosophierte er. Eine Steilvorlage, die Siemen Rühaak, der derzeit am Frankfurter Theater die Schachnovelle spielt, und das Publikum in Dortmund nun mit seinen Geschichten begeisterte.

Der Abend beginnt mit der Geschichte eines Mannes, der Weihnachten nicht feiern möchte. Doch dann überlegt er es sich anders und lässt ein opulentes Festmahl für zwei eindecken. Damit will er von den Straßen der Stadt Paris eine junge Frau in seine Wohnung locken. „Das Gesicht ist der Nachtisch, der Rest der Braten“, glaubt der selbsternannte Weihnachtsengel für arme Mädchen und macht sich auf die Suche nach einer wohlgenährten Frau, die ihm ganz besonders gut gefällt. Als die sich als Schwangere erweist und er sie nicht nur wochenlang pflegen, sondern auch lebenslang mit Alimenten aushalten muss, wird ihm aufs neue klar, dass seine ganz spezielle Weihnachtseinladung kein guter Griff war.

Keine gute Meinung vom Weihnachtsfest in Deutschland hat Kellner Emilio aus der zweiten Geschichte des Abends. Während er Ende Dezember stets zu „La Mama“ nach Italien reist, bleibt sein Gesprächspartner daheim und sehnt sich dem Weihnachtstrubel zu entkommen. Doch Tradition, Verpflichtung und Familie lassen ihn nicht entkommen. Schon der Streit um das richtige Weihnachtsessen – Gans, Karpfen oder Truthahn – zeigt ihm, wie bedrohlich Weihnachten für den Familienfrieden ist. Nicht umsonst schreibt schon der Autor: „Weihnachten macht aus Menschen keine Engel.“ Und gerade unter Druck ist Harmonie sehr flüchtig.

Das zeigt sich auch bei „Weihnachten im Schwabenland“, der dritten Geschichte des Abends mit Siemen Rühaak. Die Geschichte erzählt von der Suche nach der Weihnachtsgans und den übermäßigen Weihnachtsessen im Kreise der Familie. Der Abend endet mit einer Geschichte über den Olivengärtner Frau Bartolo, der nach langer Reise ins Kloster zurückkehrt und dort seiner Freundin Katherina beim Krippenspiel seine Liebe gesteht und einer Erzählung, wie sich Weihnachten im Trollland zugetragen haben könnte. Unwissend aus dem Winterschlaf geweckt, beginnen die Mumins sich vor Weihnachten zu fürchten. Weihnachtsbaum, -mahl und –geschenke verstehen sie als Opfergaben, um eine gefährliche Bedrohung abzuwehren und machen den Abend letztlich doch noch zu einem Fest der Liebe.

Gut 75 Gäste im Harenberg City-Center folgten begeistert der emotional und lebhaft vorgetragenen Lesung von Siemen Rühaak. Begleitet wurde die von einem Vor-Weihnachtsmenü aus der Küche von Jürgen Greinus. Nicht nur lecker, sondern auch liebevoll gestaltet wurden Terrine aus Fluss und Meer, Schaumsüppchen von Steinpilzen und Crépinette vom Hohensteiner Frischlingsrücken serviert. Auch der Nachtisch, eine weihnachtliche Lebkuchen-Zimtpyramide auf Glühweinschaum und Schlosserbuben, würde von den Gästen in den höchsten Tönen gelobt. Zum Ende des Abends begeisterte Rühaak sein Publikum nicht nur für den Kauf seines selbst hergestellten Olivenöls, sondern auch mit der Ankündigung in den nächsten Jahre weitere kulinarische Lesungen im Harenberg City-Center anzubieten. Details zu Themen und Terminen der Feste der Sinne gibt es unter 0231/9056-166 und im Internet. (SMC)