30. Mai. 2023

Kultur

„Bye Bye Bottrop“ lautet das Motto der Drei-Stunden-Show auf dem Gelände der früheren Zeche Zollern in Dortmund-Bövinghausen. Wie in jedem Jahr hat man sich eine der Ruhrgebietskommunen als Partnerstadt gesucht. Die Wahl fiel auf Bottrop, da dort Ende 2018 die letzte Kohle gefördert wird und die Stadt wie der Rest des Ruhrgebiets zu einer No-Coal-Area wird. Doch auch in diesem Jahr macht die Partnerstadt nur einen kleinen Teil des Themenspektrums des unterhaltsamen Abends mit Musik, Kabarett und Humor aus. Das kommt an: Auch in diesem Jahr sind die Karten für viele Abende bereits ausverkauft. Und das, obwohl man zum Preis von 37 Euro nur einen Platz auf einer übervollen Bierzeltgarnitur erwirbt und so ganz automatisch mit den Sitznachbarn auf Tuchfühlung geht. Wer sich vorher die Füße vertreten und ein Stück in die Geschichte der Zeche Zollern eintauchen möchte, hat bereits 2,5 Stunden vor Showbeginn Gelegenheit das Museum mit Fördergerüsten, alten Zechenloks und Blick auf die wirtschaftliche Vergangenheit des Ruhrgebiets zu werfen. Der Eintritt für das Museum ist in den Karten für den Geierabend enthalten.
Der Abend beginnt mit der Band und einem ersten Lied des Ensembles. Dann ist es am durch den Abend führenden Steiger, mit dem Publikum den für die Veranstaltung charakteristischen „Geier“ zu üben. Was beim Kölner Karneval Tusch und Fanfaren sind, ist hier der dreistufige Jubel aus Klopfen, Trampeln und Armehochreißen. Auch, wer politischen Humor mag, bekommt etwas geboten. So singt man auf der Bühne nicht nur „Viva GroKo-nia“, sondern frotzelt auch wild über die darbende Arbeiterpartei SPD, die Kanzlerpartei CDU und ihre Mitstreiter. Weniger gehaltvoll, aber auch sehr lustig ist der Auftritt von zwei Brautjungfern. Während die eine ihre Alkoholflasche unter dem Strumpfband trägt, beklagt sich die andere, man habe bei der Hochzeit die ganze Zeit auf "Ergriffen" machen müssen. Mit Blick auf die Diesel-Affäre bekommt auch die Autoindustrie ihr Fett weg. Als Vertreter des „VDA“, was beim Geierabend nicht für „Verband der Automobilindustrie“ steht, sondern für „Verarsche deutsche Autofahrer“, auf die Bühne kommen, haben sie „Husti den Hasen“ dabei und laden dazu ein Harnstoff zu spenden, um so die Abgaswerte zu retten. So könne jeder selbst zum Gelben Engel werden, frotzeln die beiden und trommeln für ihre „Blutspende in Gelb“.


Auch an multikulturelle Themen wagt sich das Ensemble. Zwei Darsteller schlüpfen in die Rolle von türkischen Männern, die nicht nur um das Demokratieverständnis und den ehelichen Frieden streiten, sondern auch über den Unterschied zwischen „Feta-Vetter“ und „fetter Vetter“. Auch wenn die Gäste des Geierabends inzwischen längst nicht mehr nur aus Dortmund kommen, spielen auch lokale Themen eine Rolle. So spottet man über die Situation rund um das geräumte Hannibal-Hochhaus. Diese Balkonhochburg habe man Hals über Kopf verlassen müssen. Nun sei die ungeliebte Mutter wieder bei ihren Kindern eingezogen und müsse dringend weg. Man könne sie ja ins Frauenhaus bringen. Zu beklagen hat sich auch der Bundesadler. Aus dem Nebel tritt der zerfledderte Vogel hervor und klagt, seine Aufgabe sei outgesourct worden. Und selbst die Grünen hätten kein Herz für den Bundesadler - sondern nur für Feldhamster. Schließlich kommt eine als Bundeskanzlerin verkleidete Darstellerin auf die Bühne. Gemeinsam mit dem Staatsvogel singt sie „Eisgekühlter Bommerlunder“. Dann wendet sich der Blick wieder nach Dortmund, wo die „schwangere Schwangerschaftsvertretung“ im „Amt für entschwundene Kunst“ so verwirrt wird, dass sie schließlich Kunst und Sperrmüll nicht mehr unterscheiden kann.


Nach dem Lokalen kommt das Globale. Der Klimawandel wird als „Gottes Segen“ besungen. Deutlich flacher ist der nächste Auftritt. „Hypno-Holger“ klagt, dass er in seinem Alter nur noch von der Grippe flachgelegt wird. Aus den Vorjahren schon bekannt sind die „Brüder Hossa“. Mit Kontrabass, Akkordeon und originellen Hüten ausgestattet bringen die beiden das Publikum zum Lachen und Mitmachen. Schließlich richtet sich der Blick wieder auf das Ruhrgebiet. Zum Spott des Publikums wird ein neu entwickeltes Ruhrgebietslogo präsentiert. Erst kommt das Original – dann die selbstironischen Varianten. Wie wäre es zum Beispiel mit „53 Shades of Grey – Metropole Ruhr“? Lokalkolorit bedient auch Kleingärtner Artur, der versucht dem Tod von der Schippe zu springen und eine Gruppe Bergleute, in deren stillgelegter Zeche Hassposts aus Facebook endgelagert werden sollen. In der Pause gibt es nach anderthalb Stunden eine Menge zu besprechen.

Am Anfang des zweiten Teils sind besonders phantasievolle Kostüme zu sehen. Im scheinbar friedlichen Schrebergarten proben die Insekten den Aufstand. Sie wollen sich wehren gegen Pflanzengift, durchsichtige Fenster und den bösen Gärtner. Als die Revolution für den nächsten Tag geplant ist, stellt sich jedoch Unzufriedenheit ein. Der Eintagsfliege geht alles zu langsam. Originell ist auch ein nachgestellter Auftritt von Donald Trump und Kim Jong Un. Beide liefern sich einen pantomimischen Kampf, um sich schließlich zu den Klängen von „Dirty Dancing“ in den Arm zu fallen. Gelungen ist auch der Auftritt der AWO-Opas Willi und Karl-Heinz, die sich ihren Pflegeplatz von den Kindern nur geliehen haben und der humorvolle Blick auf den Brexit von einer friesischen Hallig aus. Einen direkten Seitenhieb auf den klassischen Karneval hat man auch eingebaut. In einer Polizeistation erscheinen Elferrat, Büttenredner und Funkenmariechen – und ein Bürger, der an eine große Verschwörung glaubt, mit der die Karnevalisten die Weltherrschaft an sich reißen wollen. Das Ganze endet mit einem musikalischen Medley aus bekannten Karnevalsliedern. Einblicke in ein sauerländisches Dorf, in eine Problemschule und schließlich ins BVB-Stadion ergänzen das abwechslungsreiche Programm. Der Abend endet mit der Zugabe „Glück auf der Steiger kommt!“ Karten für die dreistündige Show gibt es zum Preis von 37 Euro. (SMC)