„Als München noch eine Sandbank in der Isar war, da entstand in Regensburg das Bayerische“, erklärt Doris Stallhofer den Gästen ihrer Stadtführung. Mit Sachkenntnis und Humor führt die Fremdenführerin durch ihre Heimatstadt und lädt die Gäste während der rund zweistündigen Tour immer wieder ein, Besonderheiten am Wegesrand zu bestaunen. Kaiser Marc Aurel legte im Jahr 179 den Grundstein für das Heerlager „Castra Regina“ am nördlichsten Punkt der Donau und schuf damit unweit der Mündung des kleinen Flusses Regen die Grundlage für die Entstehung der Stadt. Bei der Stadtführung kann man mit der „Porta Prätoria“ bis heute die letzten Überreste der Anlage entdecken, die die Außengrenze des römischen Reiches schützte. Als die Römer sich Jahrhunderte später aus der Gegend zurückzogen, entstand in den Mauern des Lagers der Anfang des heutigen Bayern. Nicht umsonst war Regensburg im 6. Jahrhundert die erste bayerische Hauptstadt. In diese Geschichte kann man nicht nur im Stadtbild, sondern auch im Haus der Bayerischen Geschichte eintauchen. Das im Juni 2019 eröffnete Museum setzt auf moderne Geschichtsvermittlung und erzählt die bayerische Landesgeschichte in seiner Dauerausstellung auf 40 Bühnen. Die ersten 1.800 Jahre werden in einer kostenfreien Multimediaschau erzählt – die letzten 200 sind das Thema der eigentlichen Ausstellung. Diese unterteilt die prägenden Episoden der jüngsten Geschichte in neun Generationen - von der Entstehung des Königreichs bis hin zur Gegenwart. Tausend Exponate machen die Geschichte lebendig. Interaktive Mitmachstationen, an denen sich Kinder zum Beispiel als König verkleiden oder in die Rolle von Flugpionieren schlüpfen können, machen den Besuch spannend. Neben Texten und Exponaten sind auch Video-Präsentationen Teil der Ausstellung.
Die Geschichte ist auch im Stadtbild lebendig. Seit 2006 ist Regensburg Welterbe-Stadt. Mehr als tausend Einzeldenkmäler fügen sich zum Bild einer mittelalterlichen Handelsstadt zusammen. Wer allein oder bei einer Stadtführung durch die Gassen schlendert, entdeckt unter anderem den gotischen Dom St. Peter, der die Silhouette der Stadt prägt. Sehenswert sind besonders die farbenprächtigen Kirchenfenster aus dem 13. und 14. Jahrhundert, die den Dom in ein geheimnisvolles Licht tauchen. Wer sich die erst vor kurzem gereinigte Fassade anschaut, entdeckt, dass beim Bau des ab 1260 über rund 600 Jahre erbauten Doms verschiedenfarbige Steine zum Einsatz kamen. Lange vor dem Dom stand an der Donau die „Steinerne Brücke“. Diese gilt als Meisterwerk mittelalterlicher Baukunst und wurde in nur elf Jahren von 1135 bis 1146 erbaut. Die Brücke schuf die Möglichkeit, den Fluss das ganze Jahr über zu queren und machte Regensburg zu einer Handelsstadt. Die steinernen Rundbögen der Brücke erstrecken sich rund 300 Meter über den Fluss und waren einst von drei mächtigen Türmen bewacht.
Geschichte geschrieben wurde auch im historischen Rathaus, das erbaut wurde, als Regensburg 1245 zur freien Reichsstadt wurde. Dort fand von 1663 bis 1806 der „Immerwährende Reichstag“ statt. Als Vertreter des Kaisers bei diesem Reichstag zog 1748 Fürst Alexander Ferdinand nach Regensburg – und trug so maßgeblich dazu bei, dass das Fürstenhaus Thurn und Taxis bis heute in der Stadt ansässig ist. Das heutige Schloss der Adelsfamilie im Süden der Altstadt war ursprünglich eine Benediktinerabtei. Doch nach tausend Jahren Klosterleben wurde das Kloster aufgelöst und 1812 als Ausgleich für den Wegfall des Postmonopols neben vielen anderen Ländereien an die Familie Thurn und Taxis übertragen. Die begann wenig später die Anlage zur fürstlichen Residenz umzubauen. Heute kann man einige der mehr als 500 Räume des Schlosses und auch den Kreuzgang St. Emmeram bei öffentlichen Führungen besichtigen. „Ein Schloss, wie man sich ein Schloss vorstellt“ nennt die Schlossführerin die Anlage. Sie nimmt die Gäste der Führung mit auf einen Marsch durch die Kunstgeschichte und zeigt alte Architektur und Möbel genau wie moderne Kunst und die Portraits der heutigen Fürstenfamilie. Beim Rundgang erfahren die Gäste am Beispiel eines historischen Leuchters den Ursprung des Sprichworts „Alles in Butter“ - und später auch, dass die Fürstenfamilie das Schloss über die verschiedenen Generationen immer wieder neu gestaltet hat. Speisezimmer, Wintergarten, Thronsaal und Ballsaal sind nur ein Ausschnitt der Räume, die bei der Führung besucht und erklärt werden. Und auch ein kurzer Rundgang durch den Kreuzgang ist Teil der Führung durch das Schloss von Thurn und Taxis.
Doris Stallhofer besucht bei ihrer Führung zwar nicht das Schloss, zeigt dafür aber viele andere Sehenswürdigkeiten. Und sie kennt sich aus mit den Details aus der Geschichte und dem Leben in der Stadt. Viele Gassen verdanken ihren Namen einem besonders prägenden Betrieb – oder einer Branche. So hat das traditionelle und doch moderne Hotel Roter Hahn der Rote-Hahnen-Gasse direkt vor dem Eingang seinen Namen vermacht. Wer im Hotel übernachtet, lebt direkt in der Innenstadt und kann durch die kurzen Wege alles fußläufig entdecken. Regensburg, heute eine moderne Universitätsstadt, ist auch zum Einkaufen und Ausgehen beliebt. Heute gibt es im Stadtgebiet noch drei Bauereien – und nur eine mitten in der Stadt. Martin Johann Reich begrüßt Besucher der Brauerei Kneitinger und erklärt bei einem Rundgang die Besonderheiten der regionalen Brauerei. Diese gehört einer Stiftung, sodass jede verkaufte Flasche die für gute Zwecke einsetzbaren Mittel erhöht. Doch getrunken wird das Bier aus heimischer Produktion in erster Linie wegen des Geschmacks. Bewusst hat man sich für süffige Biere entschieden, die sowohl im Biergarten schmecken als auch zu deftigen Speisen. Der Bock im Logo der Brauerei weist auf eine besonders beliebte Variante hin – das Bockbier. Dies wurde einst aus dem norddeutschen Einbeck nach Regensburg geholt – wo es zum besseren Export mit besonders hohem Alkoholgehalt gebraut wurde.
Bier ist auch in Regensburg ein fester Bestandteil der Wirtshauskultur. Gerade, weil in den letzten 15 Jahren rund ein Drittel der bayerischen Schankwirtschaften die Tore geschlossen hat, startet im Haus der bayerischen Geschichte am 30. April die Sonderausstellung „Wirtshaus-Sterben? Wirtshaus-Leben!“. Bis zum 11. Dezember 2022 kann man in die Welt der bayerischen Gemütlichkeit eintauchen und die Blütezeit von Maßkrug, Dirndl, Blasmusik und Lederhose miterleben. Doch Holzvertäfelung, Kachelofen, Jagdtrophäen und Wandmalereien findet man nicht nur im Museum. Gerade in Regensburg ist auch heute Platz für eine Vielzahl von Gastronomien vom klassischen Wirtshaus bis zur Sternegastronomie. Auch mit denen kennt sich Stadtführerin Doris Stallhofer aus. Auf ihrem Rundgang empfiehlt sie ganz nach Bedarf der Gäste regionale Spezialitäten wie Kipferl mit Wurst und Kraut oder auch die Sterne-Restaurants Aska, Roter Hahn oder Storstadt. Regensburg hat auch nach 2.000 Jahren weiterhin eine Menge zu bieten.
(SMC)