Gar nicht weit entfernt von der deutschen Grenze liegt die niederländische Provinz Overijssel. Die Hansestadt Zwolle und auch das beschauliche Hengelo sind heute noch echte Geheimtipps für Touristen. Gäste können sich in den Städten von ihrer reichen Geschichte, von Winterevents und auch von erstklassiger Gastronomie verzaubern lassen. Noch bis zum 25. Februar läuft in der Region Europas größtes Eisskulpturenfestival – in diesem Jahr unter dem Motto „Mythen und Legenden“.
Hengelo – von der Industrie- zur Kulturstadt
Auf dem Weg aus Deutschland ist Hengelo der erste Zwischenstopp. Schon am Bahnhof macht die Stadt auf ihre Geschichte als Industriestandort aufmerksam. Hier produzierte einst der Industrielle Charles Theodorus Stork – und ließ für seine Arbeiter zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein hochwertiges Wohnviertel errichten. Im Zentrum des Viertels Het Tuindorp entstand ein Teehaus als soziales Zentrum. Heute ist das Gebäude, in dem das „Hotel 't Lansink“ ansässig ist, ein nationales Kulturdenkmal. Das und noch viel mehr erzählt Enno Oosterhuis bei einer Stadtführung durch das Zentrum von Hengelo. Dabei bringt er seine Gäste nicht nur zu den Anfängen der Stadt, der auf einer kleinen Insel in einem Park liegenden Grundmauern der ehemaligen Burg Huys Hengelo, sondern berichtet auch über ihre Gegenwart und Zukunft. So stehen seit kurzer Zeit überdimensionale Bärenfiguren auf dem zentralen Platz der Stadt – und machen die einst leere Fläche zu einem beliebten Treffpunkt. Ein unschönes Parkhaus wurde durch die Bemalung mit einer überdimensionalen und farbenfrohen Katze zu einem Hingucker – und ist doch nur eines von vielen Beispielen für Streetart in Hengelo.
Genuss in Hengelo
Lars van Galen gehört zur Gilde der niederländischen Sterneköche. Nach Stationen in mehreren renommierten Restaurants entschied der aus Enschede stammende Meisterkoch sich ganz bewusst für Hengelo. 2012 hat er das Hotel und Restaurant 't Lansink gekauft und setzt seitdem kulinarische Akzente. Das hat ihm nicht nur den begehrten Status als königlicher Hoflieferant eingebracht, sondern auch einen Stern im Guide Michelin. Im stilvoll eingerichteten Restaurant serviert er kunstvoll komponierte und dekorierte Menüs und lässt es sich auch nicht nehmen, mit den Gästen an den wenigen Tischen ins Gespräch zu kommen und seine Kochkunstwerke vorzustellen. Während Lars van Galen das Spektrum der Restaurants in Hengelo stilvoll nach oben abrundet, gibt es auch in der Innenstadt gute Restaurants wie das italienische Restaurant „Intenzo“, in dem nicht nur das täglich wechselnde Überraschungsmenü, sondern auch das hausgemachte Eis eine Empfehlung ist.
Eine Welt aus Eis und Schnee
350.000 Kilogramm Eis und 250.000 Kilogramm Schnee: Das ist das Material, aus dem in Zwolle Traumwelten entstehen. Noch vor wenigen Monaten begleitenden Eva Gutteridge und Roos Driessen als Beraterinnen Projekte der öffentlichen Hand, doch dann packte die Faszination am Unternehmertum die jungen Frauen. Hals über Kopf stürzten die studierten Philosophinnen sich in die Organisation des diesjährigen Eisskulpturenfestivals, engagierten 43 internationale Eis-Künstler und mieteten wie in den Vorjahren die IJsselhalle. Wie ein Familientreffen der Eiskünstler sei die Aufbauphase gewesen – und faszinierend zu sehen, wie aus rechteckigen Eisblöcken wahre Kunstwerke wurden. Die können warm angezogene Besucher sich beim Rundgang durch die Hallen anschauen. Bis zu sechs Meter hohe, detailreich gearbeitete Eisskulpturen – darunter Figuren aus der Mythologie und Märchenfiguren – verzaubern die Besucher mit ihrem kühlen Charme. Mehr als hunderttausend Besucher erwartet das dynamische Duo bis Ende Februar in der bis zu minus 10 Grad kühlen Ausstellung.
Zwolle – eine Stadt mit Geschichte
Mit der Geschichte der Region kennt der 77-jährige Bert Dijkink sich aus. Nach seinem Berufsleben beim Unternehmen Stork in Hengelo ist der umtriebige Rentner schon seit vielen Jahren als Künstler und Stadtführer aktiv. Wir treffen uns am Hotel Staatsman, einem Boutiquehotel mit gerade einmal sieben Zimmern. Der ehemalige Amtssitz der Provinzregierung wurde über vier Jahre mit viel Liebe zum Detail restauriert und umgebaut. Historische Decken, gemauerte Kamine und sehenswerte Fliesen verbinden sich nun mit modernem Design und aktueller Technik. Das Hotel ist nur eines von vielen historischen Gebäuden in Zwolle. Besonders sehenswert sind auch das als einziges der ehemaligen Stadttore erhalten gebliebene Sassentor und das Museum de Fundatie. In einem früheren Gerichtsgebäude, auf das eine moderne Kuppel mit gläsernem Ausschnitt gesetzt wurde, werden Kunstwerke bekannter Maler wie van Gogh, Chagall und Picasso gezeigt. Doch nicht nur die Geschichte macht Zwolle interessant. Das urbane Stadtleben in der in Teilen mittelalterlichen und doch trendigen Innenstadt von Zwolle macht diese zu einem Anziehungspunkt. Eine frühere Kirche wurde in einen riesigen Buchladen umgebaut. Ein Aussichtsgerüst erlaubt es, dem Stadtpatron „St. Michael“ auf der Sint-Michaëlskerk am Großen Markt ganz nah zu kommen. Und auch gastronomisch wird eine Menge geboten.
Der kulinarische Leuchtturm
Wenn Jonnie Boer ganz gemütlich in Turnschuhen und Pullover durch die Straßen von Zwolle flaniert, braucht man einen Moment, um zu realisieren, dass es sich um den mit 3 Michelin Sternen ausgezeichneten Chefkoch handelt. Gemeinsam mit seiner Frau Thérèse betreibt er nicht nur das Luxus- Restaurant „De Librije“, sondern noch mehrere andere Gastronomien. Eine davon, das „Brass Boer Thuis“ wurde von Michelin nun ebenfalls mit einem Stern ausgezeichnet. Hier setzt der Koch, der gebürtig aus der Gegend kommt und ihr immer treu geblieben ist, in erster Linie auf regionale Zutaten. Abhängig von der Saison gibt es Fisch, Wild und Gemüse aus der Region. Das Restaurant – hier ist man auch ohne Anzug und Abendkleid gern gesehen – versteht es, die Gänge des Menüs zu inszenieren. An den Platz servierte, mit Rauch gefüllte Kartoffelbällchen auf Holzkohle sind eine von vielen kreativen Ideen.
Eine Region mit vielen Möglichkeiten
Die Provinz Overijssel im Osten der Niederlande ist eine Reise wert – im Sommer für Radtouren und Wanderungen und das ganze Jahr über, um in die Geschichte der Region einzutauchen, sich kulinarisch verwöhnen zu lassen und die Kultur zu erleben. Mit dem größten Eisskulpturenfestival in ganz Europa bietet die Region für Urlauber einen zusätzlichen Anreiz, sich in den Zug oder ins Auto zu setzen, um sie zu erleben.
(SMC)