13. Dez. 2024

Reisen

So auch bei der Bootstour „Kaiser und Kanal“. Gegen zehn Uhr trifft sich eine Gruppe von rund 60 Personen am Bootsanleger direkt neben dem Museum Schloss Oberhausen. Wer mochte, konnte die Zeit vorher für einen Besuch der Kunstausstellung oder im benachbarten Tierpark nutzen. Während die Sonnenstrahlen nach und nach wärmer werden, begrüßt Reiseleiter Christian Scholz die Gäste an Bord der „Rheinfels“. Das weiß strahlende Schiff der Atlas Schifffahrt bietet komfortable Sitzplätze sowohl im Innenbereich als auch im Freien. Minuten später beginnt die Reise über den Rhein-Herne-Kanal.

Bootsführer Rolf Karminecke berichtet über Geschichten aus dem Ruhrgebiet, funkt entgegenkommende Schiffe an, fragt sie nach Ladung und Ziel und beschreibt die Anlagen am Ufer. So erfahren die Entdecker an Bord nicht nur, dass der Kanal auch heute eine für die Versorgung der Wirtschaft unverzichtbare Lebensader ist, sondern auch, warum an manchen Stellen plötzlich Luftblasen an die Wasseroberfläche steigen. Die Lösung: Es handelt sich um Ölsperren, die bei Ladefehlern auslaufendes Öl zurückhalten und so dafür sorgen, dass Umwelt und Wasserstrasse geschützt sind.

Die Reise beginnt in Oberhausen. Minuten später gleitet das Schiff durch den gigantischen Schatten des Gasometers. Das riesige Gebäude diente früher als Speicher für Hochofengas und ist heute zur europaweit größten Ausstellungshalle ausgebaut worden. Weiter geht die Fahrt vorbei am Hafen des CentrO. Dort geht es nicht um Frachtschiffe, wie an den vielen Zechenhäfen, sondern um Freizeitkapitäne. Denn die bringen mit ihren Yachten nicht nur Leben auf den Kanal, sondern auch Geld in die Kassen der Ruhrgebietsstätte. Pro Nacht lassen die gut betuchten Segler 50 bis 100 Euro in den Restaurants und Geschäften in der Nähe der Ankerplätze.

Wer möchte kann sich während der Tour an Bord bewirten lassen. Zu günstigen Preisen serviert die Crew der „Rheinfels“ nicht nur kalte und warme Getränke, sondern auch kleine Mahlzeiten. So kann man sich zwischen Schnitzel oder Würstchen mit Kartoffelsalat entscheiden. Auf diese Weise gestärkt genießt man die Fahrt vorbei an stillgelegten Industriebauten, modernen Häfen und malerischen Landschaften. Nicht umsonst wird der Kanal Kumpel-Reviera genannt. Beim Blick auf grüne Wiesen und grillende Angler kann man sich lebhaft vorstellen, wie sich das Ufer im Hochsommer in einen Tummelplatz für jung und alt verwandelt. Doch nicht nur Bier und Würstchen locken an den Kanal, sondern auch ein gut ausgebauter Radweg und an einigen Stellen sogar echte Strandkörbe.

Mehrere Schleusen sorgen dafür, dass die auf dem Kanal fahrenden Schiffe von Oberhausen bis nach Dortmund reisen können. Gerade für Touristen ist das Schleusen ein echtes Abenteuer, denn erst wenige Meter vor dem Schiff öffnen sich die gewaltigen Schleusentore. Nachdem es in die Schleusenkammer gefahren ist, schließen sich die Tore und der Wasserspiegel wird erhöht oder abgesenkt. Hat man den Wasserstand auf der anderen Seite der Schleuse erreicht, öffnet sich das andere Tor und die Fahrt geht weiter. Nach der dritten Schleuse ist die Schiffstour nach rund vier Stunden beendet. Doch „Kaiser und Kanal“ sind noch lange nicht vorbei, denn das alte Schiffshebewerk Henrichenburg wartet auf Besucher.

Das spektakuläre Bauwerk wurde am 11. August 1899 von Kaiser Wilhelm II. eingeweiht und diente vergleichbar einer Schleuse dazu, Schiffe über mehrere Meter nach oben oder unten zu bewegen. Da im Oberwasser stets Wasserknappheit herrschte und eine gewöhnliche Schleuse deshalb nicht in Frage kam, wurde das technische Meisterwerk konstruiert. Mit ihr bewältigten die Schiffe den Höhenunterschied von 14m wie in einem großen Aufzug in nur zweieinhalb Minuten. Heute ist es Teil des Westfälischen Industriemuseums und kann besichtigt werden. Das Museum erklärt nicht nur die Entstehung und Funktionsweise der Kanäle und des Schiffshebewerks. Es bietet zudem Einblicke in das Leben auf dem und am Wasser. So ist das Leben der Eignerfamilie des Schiffes „Franz-Christian“ auf dem Museumsschiff dokumentiert. Kurze Texte, historische Fotos und viele Ausstellungsstücke erklären nicht nur den Unterschied zwischen Stückgut und Massengut, sondern auch das Familienleben auf den Frachtschiffen.

Wer möchte kann die Türme des Hebewerks erklimmen und selbst einen Blick von oben auf die Anlage werfen. Schon auf halber Höhe liegt das Oberwasser. Schon vor einigen Jahren wurde begonnen den Bereich zu rekonstruieren und historische Schiffe und schwimmende Arbeitsgeräte zu präsentieren. Wer sich für die Technik des Hebewerks interessiert, kann sie anhand von Modellen nachvollziehen oder im Original bestaunen. Durch physikalische Tricks ist das gigantische Hebewerk mit minimalem Energieaufwand zu betreiben und legt so eindrucksvoll Zeugnis ab von der wirtschaftlichen Geschichte des Reviers. Kinder werden von Käpt´n Henry durch das Museum begleitet und entdecken durch Spiel und Spaß die Ausstellungswelt. Zurück zum Ausgangspunkt der Tour de Ruhr geht es in einer halben Stunde per Reisebus. Schließlich muss man bald zuhause sein, denn es gibt viel zu erzählen. Über Kaiser und Kanal. Und über die immer noch unbekannten schönen Seiten des Ruhrgebiets.
(SMC)