15. Jul. 2025

Reisen

Bedrohlich und lebensfeindlich – so wirkten die weitläufigen Moorlandschaften im Emsland einst auf Besucher der Region. Und auch für die Einheimischen war das Moor eine Herausforderung, da die kargen Böden der Hochmoore nur wenig ertragreich waren. Deshalb galt das dünn besiedelte Emsland einst als „Armenhaus“ der Republik. Vor 75 Jahren, am 5. Mai 1950, beschloss der Deutsche Bundestag daher den Emslandplan. Mit Investitionen von 2,1 Milliarden DM sollte das Moor großflächig abgetorft und in landwirtschaftlich nutzbare Flächen verwandelt werden. Die wurden nicht nur zur Ernährung der Bevölkerung nach dem 2. Weltkrieg gebraucht, sondern auch, um Heimatvertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten ansiedeln zu können. Hinzu kamen Pläne für den Aufbau einer modernen Infrastruktur und die Ansiedlung von Industrie und Gewerbe, um das rückständige „Ödland“ in eine attraktive Kulturlandschaft und Wirtschaftsregion zu verwandeln.

Eines der größten zusammenhängenden Hochmoore Mitteleuropas

Das Emsland verdankt seine Hochmoore einer besonderen geologischen Konstellation – einer wasserundurchlässigen Bodenschicht, auf der sich der Regen staut und ein feuchtes Milieu schafft, in dem Pflanzen wie die Torfmoose wachsen und sich ohne zu verrotten ansammeln. So wächst das Moor pro Jahr um einen Millimeter – und bindet durch das eingelagerte Biomaterial große Mengen Kohlendioxid. Doch das interessierte zu Zeiten des Emslandplans die Wenigsten. Damals wurden gigantische Maschinen wie der Tiefpflug „Mammut“ geschaffen, um die meterdicke Torfschicht wegzuschaffen, das Gebiet trockenzulegen und die Dichtschicht flächendeckend aufzubrechen. So wurde aus der blau-grünen Moorlandschaft in weiten Teilen des Emslands ein von Entwässerungsgräben durchzogenes Anbaugebiet zum Beispiel für Mais und Kartoffeln.

Moorschutz ist Klimaschutz

Längst haben die Menschen im Emsland den Charme der weitläufigen und rauen Moorlandschaft und ihre Bedeutung für das Klima erkannt. Wo möglich wurde der Abbau von Torf deshalb beendet – und in einzelnen Gebieten sogar mit der Wiedervernässung und Renaturierung von Moorflächen begonnen. So sind – zum Beispiel im Naturpark Bourtanger Moor – Veenland – attraktive Gebiete entstanden, in denen man die Natur entdecken und den Zauber der Moorlandschaft erleben kann. Das Moor ist überraschend vielfältig – und Lebensraum für an diesen besonderen Lebensraum angepasste Pflanzen und Tiere. Die bis zu 300 Vogelarten sind die auffälligsten, aber auch die zahlreichen Insekten und die lautstark auf sich aufmerksam machenden Frösche bleiben nicht unbemerkt. Erkunden kann man das Moor  auf eigene Faust oder bei einer Führung mit einem Ranger wie dem 55-jährigen Biologen Andreas Rakers. Der spürt dem Leben im und am Moor mit Begeisterung nach und weiß auch an welchen Orten das Wollgras „blüht“.

Eine echte Moorpflanze

Fast sieht es aus wie eine helle Wasserfläche in der grünen Moorlandschaft. Doch wenn man näher kommt, entdeckt man, dass es sich um Wollgras handelt. Und auch wenn Laien oft von der Wollgrasblüte sprechen, ist die eigentlich schon vorbei, wenn die krautigen Pflanzen im Mai fruchten und an ihren langen Stängeln flauschige Büschel mit Samenkörnern entstehen. Bei einer Wanderung im Naturpark zeigt Ranger Andreas Rakers nicht nur das schmalblätterige, sondern auch das scheidige Wollgras und erklärt, dass die weißen Büschelchen beider Arten einst von den Einheimischen gesammelt wurden – als Dämmung, Kissenfüllung und auch als Saugmaterial für Windeln und Hygieneprodukte.

Eine von acht Moorpforten

Erklärt wird die Moorlandschaft unter anderem an den acht Moorpforten – wie dem Emsland Moormuseum. Dort steht nicht nur der gigantische Ottomeyer-Pflug. Es gibt in den beiden Ausstellungshallen auch eine Fülle von Informationen zur Erschließung des Moores. Wer mag, kann mit der Feldbahn auf einer drei Kilometer langen Strecke durch das Moor fahren und am Wegesrand Schafe, Ziegen und die nur in der Region heimischen Bunten Bentheimer Schweine sehen. Im Museumscafé gibt es mit Buchweizenpfannkuchen – auf Wunsch mit Speck vom Bentheimer Schwein, eine regionale Köstlichkeit. Im Emsland wird die Redewendung „die Katze im Sack kaufen“ auf besondere Weise interpretiert. Einst sollen heiratsfähige Männer durchs Land gezogen sein und auf der Suche nach einer Frau auf den Bauernhöfen nach dem Kauf einer Katze gefragt haben. Entdeckte man beim gemeinsamen Abendessen mit Buchweizenpfannkuchen Sympathie, wurde der Gast mit einer der Töchter der Familie verheiratet. Passte es nicht, bekam er die „gewünschte“ Katze und konnte ohne Gesichtsverlust weiterziehen.

Das deutsche Texas

1938 entdeckte man im Emsland erstmals Öl. Bis heute werden pro Jahr zwischen 320.000 und 360.000 Tonnen gefördert – in der Landschaft sind immer wieder kleinere Bohrtürme und „Nicker“ genannte Pumpen zu sehen, die den dickflüssigen Rohstoff ans Tageslicht bringen. Dazu wird Dampf in die gut 1.400 Meter tiefen Bohrlöcher geblasen – und das Öl so aus den Bodenschichten gelöst. Und obwohl man bei einer Radtour durch das Emsland immer wieder auf Förderanlagen stößt, decken diese nur weniger als ein Prozent des deutschen Ölverbrauchs. Wer sich für die technischen Hintergründe interessiert, kann im Erdöl-Erdgas-Museum, einer weiteren Moorpforte, Details zur Förderung fossiler Brennstoffe im Emsland erfahren. Ein Zeittunnel erklärt die Geschichte der Förderung – ein detailliertes Modell eines Förderturms zeigt, wie komplex die Rohstoffgewinnung ist.

Von Gott – und seiner Schöpfung

Der Bibelgarten Twist ist ein schöner Ort, um die Seele baumeln zu lassen. Rund um die kleine evangelische Kirche sind einige der 120 in der Bibel erwähnten Pflanzen zu sehen. Der Garten ist das ganze Jahr über geöffnet, sodass man die Pflanzen in aller Ruhe entdecken kann. Zwischen Wein und Kräutern sind auch einzelne Bäume zu sehen. Und natürlich regt der Garten auch zum Nachdenken an. War es wirklich der im mittleren Osten unbekannte Apfelbaum, dessen Frucht Eva im biblischen Paradies in Versuchung führte – oder doch eher eine Feige? Im Bibelgarten wachsen beide. Wenige Schritte entfernt verbirgt sich im Wald ein kleiner Glückspfad, der zum Nachdenken über das eigene Leben anregt.

Bienen und Eulen – und viel Engagement

Interessant ist auch das deutsch-niederländische Bienenzentrum. Hermann Hüsers ist der Vorsitzende des Trägervereins, der weit mehr als ein Imkerverein ist. Den Aktiven liegt nicht nur das Wohl der Bienen am Herzen sondern auch die Insektenwelt und die Natur insgesamt. Auf dem naturnah gestalteten Grundstück des Vereins kann man in der warmen Jahreszeit Bienen bei der Arbeit beobachten und eine Menge über die Bedeutung der Insekten für die Bestäubung der Pflanzen und damit auch für das Leben der Menschen erfahren. Auf dem Grundstück ist eine kleine Mauer aus Torf zu sehen, die eine kleine Moorfläche abgrenzt. Im Turm lebt eine seltene Eule, die sich aber nur nachts sehen lässt.

Eine überraschend vielseitige Gegend

Das Emsland ist eine vielseitige Urlaubsgegend, in der nicht nur Wanderer und Radfahrer auf ihre Kosten kommen. Die Mischung aus schönen Naturlandschaften und einer reichen regionalen Kultur bietet immer wieder Möglichkeiten am Wegesrand Besonderheiten zu entdecken. Auch mit Blick auf Hotels und Restaurants ist das Emsland erfreulich gut ausgestattet – vom einfachen Imbiss bis zur gehobenen Gastronomie. Gerade in den Sommermonaten ist das Emsland ein attraktives Ziel, um für ein paar Tage die Seele baumeln zu lassen und in der Weite der Naturlandschaft zu entspannen.

(SMC)